'Ist das nicht schön?' fragte mich Ioana, als wir nach ein paar Metern am nächsten Schaufenster stehen blieben und uns etwas ansahen, was ich keine 10 Minuten später bereits wieder vergessen hatte. 'Kann Steaua noch Meister werden?' fragte ich, in der Hoffnung, dass Ioana die Frage ebenso dämlich vorkam wie umgekehrt. 'Es sind nur 3 Punkte, wenn sie alles geben, schaffen sie das, und?' Gekonnt lenkte sie meine Gedanken wieder auf ihre Frage zurück, doch ich grübelte, wie ich ihr das nett beibringen konnte, dass ich nichts lieber tat, als bei minus 5 Grad Hunderte Schaufenster anzusehen. 'Wenn du mir sagst, wo wir das aufhängen wollen, wir haben keine Treppe in der Wohnung!' Treffer, versenkt, würde an im Fußballerchargon sagen. 'Über das Bett?' 'Wenn ich auf der Couch schlafen soll, kannst du mir das auch anders sagen, Schatz, blinkende Lichter sind nämlich nicht gerade schlaffördernd.' 'Ok, hast ja recht, gehen wir einkaufen und dann nach Hause, ich habe dich schon genug gefoltert, ich mache das lieber mit meinen Freundinnen!' 'Danke, das ist sehr nett von dir.'
So langsam ging alles wieder seine gewohnten Bahnen und es war Normalität eingekehrt. Wenige Wochen vor Weihnachten bereitete ich mich intensiv auf die Suche nach einem neuen Verein vor, aber der Name Sorin Alin Tătărușanu schien mehr in Vergessenheit geraten zu sein, als ich das ahnte. Was die Sache nicht gerade besser machte, einen neuen Spielerberater zu finden, denn auch mein voriger Berater, Balint, wollte mich nicht managen. Da ich aber immer noch gute Verbindungen zu Steaua pflegte, war es mir möglich, mich zumindest beim Verein fit zu halten. Knappe 2 Kilometer war es bis zur Trainingsanlage, was angenehm war, da ich momentan keinen eigenen Wagen besaß und Ioana den einzigen für Besorgungen und für die Kinder brauchte. Ich schlenderte also an einem Donnerstag Nachmittag an der Seite der Straße nach Hause, als ich plötzlich aus einem fahrenden Wagen heraus angesprochen wurde. Es brauchte keine drei Worte, um zu wissen, worum es ging, Becali. Ganz unverhofft kam das nicht, hatte ich damit gerechnet, dass ich auf ihn treffen würde, sobald wir wieder in Bukarest waren, doch mittlerweile waren 11 Tage vergangen und ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass ich ihn wohl doch nicht sehen werde. Doch obwohl das Ganze ziemlich unerwartet kam, ging ich dieses Mal nicht mit einem Gewissen zu ihm, dennoch fragte ich mich nach dem Grund.
Scheinbar hatte mich Becali ebenso wenig erwartet, wie ich ihn, denn ich sah ihn zweimal relativ hektisch durch das Haus eilen, während ich auf ihn wartete. Mir wurde ein Getränk gebracht, kurz darauf kam Becali und schien sich zu freuen mich zu sehen. Er setzte sich und ich musterte noch immer das Getränk vor mir, die letzte Erfahrung in derlei Hinsicht ließen bei mir alle Alarmglocken läuten. 'Das ist Guavensaft, keine Sorge, den wolltest du doch immer?' gab mir Becali zu verstehen, dass das wohl kein Trick sei, wieder mit einem seiner scheuslichen Getränke hereingelegt zu werden. Ich nickte und trank vorsichtig aus dem Glas. Es war Guavensaft. Wir saßen ein paar Sekunden nur still da, ehe Becali begann. 'Sorin, ich will mich bei dir entschuldigen!' Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich war völlig perplex, als ich das Wort 'entschuldigen' von ihm hörte, auch wenn es allen Grund dazu gab, doch gerechnet hätte ich damit nie. 'Verzeihung, sie wollen was?' fragte ich verwundert nach. 'Du hast schon richtig gehört, Sorin, ich will mich bei dir entschuldigen. Dafür, dass ich dich über all die Jahre als den unreifen und respektlosen Teenager gesehen habe, der du einmal warst, ich habe dir keine Chance gegeben, mir zu zeigen, dass du dich geändert hast, ich wollte es wohl auch nie wahrhaben.'
'Danke Mr. Becali, ich weiß schon, ich habe viel Blödsinn gemacht und es lange auch nicht anders verdient, aber man muss ja dann doch irgendwann einmal erwachsen werden. Außerdem ist es für das Image auch auf Dauer nicht fördernd.' 'Ach wirklich?' tat Becali sarkastisch, 'erinnerst du dich noch, als ich dir das vor etwa 6 Jahren mit ziemlich diesen Worten gesagt habe?' Ich nickte. 'Sorin, ich wünschte, du wärst früher darauf gekommen, denn wer weiß, wo du nun spielen könntest. Damit leite ich gleich direkt zum eigentlichen Grund über, warum ich dich sprechen wollte.' Meine Augen wurden größer. 'Ich weiß, momentan läuft es mehr als mäßig und dass du keinen Verein finden kannst, ich habe mich umgehört und habe ein paar Optionen für dich. Womit soll ich beginnen?' 'Das beste zuerst!' 'Dinamo...' 'Nein danke!' 'Aber Sorin, weißt du was das für eine Chance ist?' 'Danke, aber nein, das kann ich nicht, für den Erzrivalen auflaufen.' 'Du wärst in wenigen Minuten beim Training, könntest in Bukarest bleiben und hast einen Verein der zu den Top-4 in Rumänien zählt.' 'Ich weiß, aber ich kann es nicht, tut mir leid, aber das wäre so, wie wenn sie von Messi verlangen würden, für Brasilien zu spielen!' 'Ok, ich verstehe dich, aber an deiner Stelle hätte ich diese Chance genutzt, auch wenn es Dinamo ist. Bevor ich weitermache, kommen Angebote aus dem Ausland für euch in Frage oder nicht?' Ich merkte, wie seine Mimik beim Wort 'euch' sich sichtbar veränderte, doch vorerst wollte ich da nicht nachhaken. 'Ausschließen würde ich es nicht, aber besser wäre es, hier bleiben zu können.' 'Nun denn, Chindia, Concordia, Voluntari, Sepsi, Petrolul, Gloria Buzau?' Ich schluckte, größtenteils waren das Vereine aus der zweiten Liga, oder Vereine aus Liga 1 aber in Abstiegsgefahr. 'Was gäbe es denn aus dem Ausland?' 'Pisa, Trapani, Le Mans und Kaiserslautern.' 2. oder 3. Liga also, ich hatte mir zwar nicht viel erwartet, aber das war dann doch ziemlich enttäuschend. 'Ich spreche mit Ioana mal über Pisa und Kaiserslautern, danke vielmals Mr. Becali, vorallem will ich wieder spielen.'
Ich ließ ein paar Tage vergehen, schließlich war es ja noch etwas Zeit bis zum neuen Jahr und ich hoffte irgendwie dass da doch noch etwas kam, was mich froher stimmte, eine Art Weihnachtsgeschenk. Die Hoffnung, bei Steaua unterzukommen, hatte ich für den Moment vorerst aufgegeben, ich musste einsehen, dass es für den Moment einfach unrealistisch ist. Ioana ließ mich allerdings ganz klar wissen, dass ich besser einen Verein in Rumänien, noch besser in Bukarest finden sollte, was meine Auswahl relativ stark einschränkte. Da ich mir als Jugendlicher schwor, niemals das Trikot von Dinamo tragen zu wollen, schien es wohl so, als würde ich den FC Voluntari als neuen Arbeitgeber auswählen, die waren momentan Vorletzter, doch hatte immerhin am Wochenende einen Punkt gegen Craiova geholt. In diesem Moment klingelte mein Telefon, es war Becali, der mich bat, vorbei zu kommen, da ich nichts vorhatte, ließ ich mich abholen. Ich brachte ihn auf den neuesten Stand und er war wenig überrascht, als ich ihm sagte, dass Ioana es bevorzugen würde, in Bukarest zu bleiben. 'Nun Sorin, das hätte ich dir gleich sagen können, also wie ich dich kenne, soll ich dich demnach beim FC Voluntari hinein bringen?' Ich hakte nochmals nach: 'Was waren nochmal die Angebote?' 'Dinamo, Voluntari, Clinceni, Concordia, Tar...' 'Clinceni?' Becali blätterte durch seine Unterlagen und nickte, 'ja, Academica Clinceni.' 'Dann Clinceni bitte!' Becali war verwundert und hakte nach: 'Warum ausgerechnet Clinceni, du weißt, wie die Infrastruktur dort ist? Altes Stadion, 1.500 Zuschauer Maximum, dazu Aufsteiger, die größten Talente gehen meistens zu Steau..... aaaah, jetzt verstehe ich.' machte es das berühmte 'Klick' bei Becali. 'Es ist nicht nur das, ja der Weg zu Steaua scheint von dort am einfachsten, vorausgesetzt, sie lassen es zu, dass ich jemals wieder für Steaua spielen darf, aber ich weiß, dass Paul (Pirvulescu) und Gabriel (Matei) dort spielen, zwei von der letzten Meistermannschaft, die 2013 bis 2015 dreimal den Titel für unser Steaua geholt haben, zudem kenne ich Robert Ion und Gabriel Merloi flüchtig von anderen Jugendjahrgängen und mit Cristian Dumitru ist eines der größten U18 Talente des Landes momentan dort zur Leihe, das ist für mich Motivation genug. Ich weiß wie es dort aussieht, dass es von meiner Wohnung aus nur etwa 10 Kilometer ist, wohingegen Voluntari im Norden liegt und der Verkehr im Zentrum von Bukarest zu gewissen Zeiten verrückt ist.' 'Also gut, Sorin, dann werde ich meine Kontakte spielen lassen, ich kann nichts garantieren, aber ich denke, dass du eine gute Chance hast, dort 2020 spielen zu können!' 'Danke Mr. Becali, das bedeutet mir viel und ich weiß, sie hätten das nicht machen müssen.' Becali räusperte sich und deutete mir, mich zu setzen. 'Sorin, erstens, bitte nenne mich George, du bist seit weiß ich nicht wie vielen Jahren mit meiner Nichte zusammen, darüber hinaus habe ich schon soviel mit dir erlebt, Probleme, aber auch Glücksmomente, als du in der frühen Jugend mal 10 Tore in einem Spiel geschossen hast, zweitens, ich stehe in deiner Schuld, da du Ioana aus dieser Situation gesund nach Hause gebracht hast und im Gegensatz zu einem aggressiven und gewalttätigen Möchtegern-Napoleon bist du ein Lottosechser für sie. Und sie liebt dich, das weiß ich und ich habe eingesehen, dass eurem Glück im Weg zu stehen mir Ioana nur weiter weg bringt, als euch meinen Segen zu geben. Ich sehe keinen Grund, wenn du Leistung bringst und dich empfiehlst, dass du eines Tages nicht wieder für Steaua spielen kannst!'
Ich bedankte mich noch weitere 100 Mal bei Becali und verließ, ich glaube zum ersten Mal überhaupt, überglücklich sein Anwesen. Zuhause überbrachte ich Ioana die gute Nachricht und auch wenn sie mit Academica Clinceni nichts anfangen konnte, war sie beruhigt, dass mein neuer Arbeitgeber keinen Umzug erforderte, zumindest nicht zwingend, auch wenn es mir zu viert hier auf Dauer wohl doch etwas eng werden könnte. Der Blick auf die Tabelle in der Liga ließ mich erahnen, dass es in den letzten 6 Spielen des Grunddurchganges vorallem gegen den Abstieg gehen würde, doch was mir als ehemaliger Top-Spieler und angelernter Optimist nicht entging; 10 Punkte fehlten auf den magischen 6. Platz, rechnerisch machbar und bis zum ersten Spiel war auch das Träumen erlaubt. Jedenfalls war ich stolz, ab 2020 wieder Teil eines Erstligisten zu sein.
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