So sehr ich auch wollte, so sehr ich mich auch anstrengte, ich bekam ihr Gesicht, ihr Lächeln einfach nicht aus dem Kopf. Es heißt zwar immer, dass man im Suff das logische Denken ausschaltet und unbewusst handelt, doch vor einigen Jahren wäre für das, was in jener Nacht passiert ist, nichtmal ein Tropfen Alkohol nötig gewesen. Eine hübsche junge Frau, die ganz offensichtlich verrückt nach mir gewesen ist, ausnahmsweise auch keine bösen Absichten hatte, sondern einfach nur Spaß haben wollte, wer konnte dazu schon nein sagen. Eigentlich hätte ich es sein sollen, der das heiße Abenteuer in der Waagrechten ablehnen hätte sollen, aber alte Muster verblassen nicht, sagte einmal ein guter Freund zu mir. Der Rückflug dauerte ewig, auch wenn es nur knapp 10 Stunden waren, ich konnte weder schlafen noch klar denken. Ilkay und Matthias hatte ich es zu verdanken, dass ich unbemerkt und ohne Probleme aus dieser Situation herausgekommen war, nicht auszudenken, wenn Thomas Tuchel mich in dieser Situation erwischt hätte. Eigentlich hatte ich vor dem Rückflug noch vor, Ioana anzurufen, doch ich brauchte erstmal einen klaren Kopf, musste meine Gedanken sortieren.
Spät am Abend war der Flug endlich hinter mir, der Jetlag machte sich bemerkbar, ich war müde und wollte nur noch schlafen. Am nächsten Morgen ging ich früh aus der Wohnung, Ioana schlief noch, ich wollte beim Laufen klare Gedanken bekommen. Das funktionierte nur bedingt und auch der Gedanke an ein Gespräch mit Bogdan, dessen Antwort sehr einfach vorauszuahnen war, brachte nichts. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, dass ich keinen wirklichen, ernstzunehmenden, Freund hatte, mit dem ich über solche Situationen reden konnte, Adrian konnte ich ja schlecht fragen. Ich fraß die Gedanken und die aufgestauten Emotionen in mich hinein, hatte dadurch keine wirklich gute Laune.
Borussia Dortmund 3:0 FSV Mainz 05
1:0 Tătărușanu 18.
2:0 Tătărușanu 45.
3:0 Mkhitaryan 81.
Der Rückrundenstart stand auf dem Programm und der FSV Mainz 05 war unser Gegner. Das passte mir insofern gut in den Kram, als dass sich mit einem kurzen Gespräch mit Ciro Immobile im Kabinengang meine Laune rapide verbesserte. Wenn es darum ging, sich zu konzentrieren und alles rundherum abzuschalten, was gerade nicht hierhin gehört, zeigte sich bei mir oftmals auch, was mich wirklich belastete und was mich zwar beschäftigte, aber leicht zu verdrängen war. Ich hätte zwar gedacht, dass ich nach diesen letzten aufregenden Tagen heute nicht in Topform agieren würde, doch da hatte ich mich getäuscht. Mainz stand tief und ließ uns kommen, vorallem Ilkay wurde zumeist gedoppelt, damit er keine gefährlichen Pässe spielen konnte. Doch dafür servierte mir Gonzalo Castro in der 18. Minute einen Pass in den Rückraum, ich ließ den Ball kurz abtropfen, drehte mich schnell eine halbe Umdrehung gegen den Uhrzeigersinn und zog dann von der Strafraumgrenze ab. Die Blockversuche der Mainzer Abwehr kamen zu spät, der Ball schlug via Innenstange im Tor ein. Ich konnte Thomas Tuchel draußen jubeln sehen und klatschte mit meinen Mannschaftskollegen ab. Mainz kam zweimal zu guten Möglichkeiten, aber die Schüsse von Immobile wurden abgeblockt. Kurz vor der Pause bekam dann Matthias Ginter auf der rechten Seite völlige Narrenfreiheit, kein Mainzer fand es der Mühe wert, ihn zu attackieren und ein wild tobender und gestikulierender Martin Schmidt wäre wohl am liebsten selbst auf den Rasen gelaufen und hätte ihn attackiert, oder in Sigurður-Manier einen Ball auf seine Füße geworfen, um ihn zu stoppen, doch es kam anders. Der Steilpass erreichte Henrikh Mkhitaryan, der eine Maßflanke zur Mitte schlug und mit einem scharfen Volley erhöhte ich auf 2:0. Auch wenn Borussia Dortmund ab dem Sommer einen Einserstürmer brauchen würde, denn vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Adrian Ramos im Sommer ablösefrei zu Levante wechseln wird, rechnete ich mir gute Chancen aus, dass ich womöglich dieser Stürmer sein könnte. Nach der Pause durfte ich noch 15 Minuten mitwirken, bevor ich durch Marvin Ducksch ersetzt wurde. Wir hatten das Spiel unter Kontrolle, Mainz kam nur sporadisch vor unser Tor, in den letzten 10 Minuten stellte Mkhitaryan mit einem Drehschuss aus etwa 20 Metern den 3:0 Endstand her, der Weg führte mich aber schnurstracks in Richtung gegnerischen Trainer.....
'Sorin, schön dich zu sehen!' begrüßte mich Ciro Immobile, als ich ihn schräg gegenüber dem Stadion auf ein Red Bull einlud. 'Was hast du zu unserem Coach gesagt, dass er mich gehen ließ, normal geht es sofort nach dem Duschen zum Bus und dann wieder zurück!'
'Dass ich dich verlässlich zurückbringe, unbeschädigt und fit!' lachte ich. 'Ciro, ich brauche deinen Rat, deinen Rat als Freund. Ich habe in Thailand ordentlich Mist gebaut, habe meine Freundin betrogen und mit einer, sagen wir einmal Tänzerin, geschlafen. Das blöde dabei ist nur, dass mir das nicht aus dem Kopf gehen wird, ich kann sie nicht aus meinen Gedanken löschen, Ciro!'
Ciro legte seine Hand auf meine Schulter und grinste: 'Sorin, du hast dich wohl verguckt! Hat es dir denn was bedeutet, oder was es nur eine, wie sagt man hier... schnelle Nummer?'
'Wenn ich das wüsste, Ciro, ich kann mich nicht an alles erinnern, ich weiß, dass wir den Abend zusammen verbracht hatten, Ilkay, Matthias und ich, da kam sie dazu, hatte nur Augen für mich und ich ließ es zu. Ich weiß noch, dass ich mit ihr aufs Zimmer gegangen bin, danach bin ich nackt neben ihr aufgewacht. Ich muss kein Prophet sein, um mir den Rest zusammenzudenken, aber an das, was dazwischen passiert ist, habe ich nur vage Erinnerungen.'
'An was denkst du, wenn du das Wort Thailand hörst?' testete mich Ciro.
Ich lächelte.
'Ja, dich hat es eindeutig erwischt!' grinste er.
'Das hat doch nichts zu sagen, du hast auch gelacht, als ich die Spaghetti geschnitten hatte!'
'Natürlich, Sorin, für einen Italiener gibt es an dieser Stelle zwei Optionen: entweder er sucht schreiend das Weite oder er lacht sich kaputt! Das ist, wie wenn ich auf dem Oktoberfest ein kleines alkoholfreies Bier bestellen würde!'
Der Gedanke brachte mich auch zum Lachen.
'Und was soll ich jetzt machen, Ciro. Ich weiß weder, wer sie ist, noch wie sie heißt und überhaupt, wie ich sie finde.'
'Ich wollte eigentlich vorschlagen, dass du dir zuerst einmal klar werden musst, wen du nun wirklich liebst, aber scheinbar hast du das bereits!'
Hatte ich das wirklich? Hatte ich mich in meinen Gefühlen für Ioana etwa geirrt? Eigentlich wollte ich durch das Gespräch mit Ciro Klarheit haben, nun war ich jedoch noch mehr verwirrt als vorhin.
VfL Wolfsburg 0:2 Borussia Dortmund
1:0 Castro 48.
2:0 Gündogan 52.
Das zweite und letzte Spiel im Januar stand auswärts gegen den VfL Wolfsburg an. Bei winterlichen Verhältnissen und Temperaturen knapp über 0°C brauchte die Partie einige Zeit, um sich warmzulaufen, die erste Chance fand Marco Reus nach etwa einer halben Stunde vor, als er aus spitzem Winkel nur das Außennetz traf. Ich machte es wenige Minuten nicht viel besser und verzog aus aussichtsreicher Position nach einem schönen Zuspiel von Sven Bender. Zur Pause kam wieder Ilkay Gündogan für Shinji Kagawa und es kam mehr Schwung ins Spiel. Und es dauerte auch nicht lange, bis sich die Wölfe zu einem Schnitzer hinreißen ließen. Marco Reus zog mehrere Gegenspieler auf sich, machte dadurch eine Lücke in der Mitte auf, die Gonzalo Castro nach dem scharfen Zuspiel fand und wuchtig zum 1:0 traf. Die Gastgeber waren bemüht, rasch zu antworten, doch dieser Schuss ging nach hinten los. An der Mittellinie verlor Max Kruse den Ball an Sven Bender, der spielt schnell in die Spitze, wo ich lange wartete und dann den mitgelaufenen Ilkay Gündogan bediente. Bei den Wolfsburgern wurde der Frust durch den Doppelschlag schnell größer, vermehrt war es aber Ilkay Gündogan und Marco Reus, die Schmerzen abbekamen. In der 62. Minute dribbelte ich mich aber ungeniert durch das Mittelfeld und wurde unsanft von Max Kruse umgegrätscht. Ich sprang auf und wollte dem Stürmer am liebsten an die Gurgel, doch ich stoppte, bäumte mich nur vor ihm auf und sah in grimmig an. In der nächsten Sekunde grinste ich, streckte ihm die Hand hin und flüsterte ihm zu, so laut, dass er es hören konnte: 'Freut mich, dich endlich persönlich kennen zu lernen, ich habe schon so einiges über dich in den Zeitungen gelesen in den letzten Wochen.' Kruse drehte sich nochmals um, trat mir dabei fast auf die Zehen und warf mit die Worte 'arroganter Penner' an den Kopf. Bis ich seine Reaktion auf meine rumänische Antwort an ihn abwarten konnte, war auch schon der Schiedsrichter dazwischen und schlichtete. Wir wurden beide mit der gelben Karte bedacht, das Handshake danach war nur dafür, dass der Schiri zufrieden war, das wussten wir beide. Kurze Zeit später war die Partie für mich auch zu Ende, ich wurde durch Marvon Ducksch ersetzt und sah die restlichen 20 Minuten, in denen nichts mehr passierte von der Bank aus.
Auch wenn ich womöglich im Sommer nicht mehr Teil dieser Mannschaft sein würde, was mich traurig stimmte, verfolgte ich das Transfergeschehen interessiert. Dabei blieb ich bei einem Bericht hängen, der mir fast die Augen aus den Höhlen springen ließ. Das Gerücht gab es schon ein paar Tage, nun war der Deal aber fix, Paco Alcacer vom FC Valencia wechselt für 76,5 Millionen € nach Dortmund. Schon morgen soll der Spanier landen, damit hatte ich nun einen ernstzunehmenden Konkurrenten um den Platz in der Spitze! |
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