"Die WM beginnt jetzt erst"
Deutschland gegen England ist kein gewöhnliches Länderspiel. Es ist ein besonderes Treffen, ein geschichtsträchtiger Klassiker, der Emotionen ebenso weckt wie Erinnerungen - in den beteiligten Ländern ebenso wie über deren Grenzen hinaus.
Im 32. Duell der beiden Fußballgroßmächte am Sonntag (16.00 Uhr, live in ORF1 und im Livestream) im Free-State-Stadion von Bloemfontein geht es "auch" um den Einzug ins Viertelfinale am 3. Juli.
Dort wird die Aufgabe für den Sieger nicht leichter, es wartet der Sieger aus dem zweiten Sonntag-Spiel Argentinien gegen Mexiko (Johannesburg, 20.30 Uhr).
Letzte Psychospielchen
Die letzten Stunden vor dem Spiel gerieten für alle Beteiligten zur Nervensache. "Jeder weiß, dass es ein besonders großes Spiel ist. Es ist eine große Anspannung da", berichtete DFB-Teammanager Oliver Bierhoff.
So schickte dann auch DFB-Teamchef Joachim Löw seinen Tormanntrainer Andreas Köpke zur Abschlusspressekonferenz.
Die Engländer ihrerseits brüskierten die rund 300 anwesenden Journalisten, indem sie in dem lediglich fünfminütigen Pressegespräch ausschließlich Fragen englischer Reporter zuließen.
Fans werden zur Kasse gebeten
Die Fans sind ebenfalls bereits in Hochstimmung und werden in letzter Minute noch einmal kräftig zur Kasse gebeten. Wer im letzten Moment Eintrittskarten braucht, muss Preise von über 500 Euro für 30-Euro-Tickets bezahlen.
Die Unterkünfte in der sonst ruhigen Stadt Bloemfontein sind ebenfalls rar, für Massenunterkünfte (etwa in alten Fabrikshallen) werden schon einmal 50 Euro pro Bett kassiert. Den Anhängern ist der Fußballklassiker all das wert, und auch die Teams fiebern dem Spiel entgegen.
Löw: "Können England schlagen"
"Wir sind in der Lage, England zu schlagen", sagte Löw selbstbewusst. Er versprach den Millionen Fans in der Heimat einen großen Kampf, der 90 Minuten, 120 Minuten oder sogar bis zu einem entscheidenden Elfmeterschießen dauern könnte: "Wir werden in der Lage sein, mit unserer jungen Mannschaft dagegenzuhalten."
"Alle Spieler sind heiß zu spielen. Das ist eine große Herausforderung", sagte Kapitän Philipp Lahm.
"Es gibt nichts Schöneres"
"Es gibt nichts Schöneres: Deutschland gegen England, Sonntag, 16.00 Uhr, Public Viewing und Grillen - das ist das, was Fußball ausmacht. Der Tagesablauf wird vom Fußball bestimmt. Die Leute gehen zum Baden an den See, aber um 16.00 Uhr ist jeder zu Hause. Auf dieses große Spiel kann sich jeder freuen", beschrieb Lahm den Ausnahmezustand in Deutschland rund um das Fußballereignis.
Die deutsche Elf hat die letzten beiden großen Turnierduelle gewonnen. Im WM-Halbfinale 1990 in Italien und im EM-Halbfinale 1996 in England siegte sie jeweils nach Elfmeterschießen und holte danach auch beide Male den Titel.
Rooney steht "unter Strom"
Die Engländer sind ebenso "heiß" auf die Auseinandersetzung mit dem Erzrivalen und setzen große Hoffnungen in den bisher in Südafrika noch torlosen Stürmerstar Rooney.
"Er steht unter Strom. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er trifft", erklärte Teamkollege Steven Gerrard am Samstagabend in Bloemfontein. Das weiß auch Löw.
"Dieser Mann ist zu allem fähig"
"Auch wenn England bisher nicht die allerbeste Form gezeigt hat, diese Mannschaft ist mit hervorragenden Spielern besetzt - ob Gerrard, Lampard oder Rooney, bei dem man weiß, dass er explodieren kann. Dieser Mann ist zu allem fähig. Unsere Abwehr wird vor eine große Aufgabe gestellt", sagte der deutsche Teamchef.
Löw macht sich Sorgen
Obwohl Deutschland in acht WM-Achtelfinali nur einmal (1938 gegen die Schweiz) verloren hat, macht sich der ehemalige Austria- und Innsbruck-Trainer Sorgen.
Mittelfeldchef Bastian Schweinsteiger (Oberschenkel) und Verteidiger Jerome Boateng (Wade) sind wegen Muskelverhärtungen fraglich. Ein möglicher Schweinsteiger-Ersatz wäre wohl Bayern-Jungstar Toni Kroos.
"Im übernächsten Spiel wieder dabei"
Stürmer Cacau fällt fix aus. "Wir sind aber zuversichtlich, dass er im übernächsten Spiel wieder dabei ist", demonstrierte Teammanager Bierhoff die optimistische Stimmung in der Mannschaft.
Sicher ist, dass der zuletzt gesperrte Miroslav Klose wieder zur Verfügung und vor seinem 99. Länderspiel steht.
Die Angst des Engländers vor dem Elfmeter
Die Engländer, die in der Bilanz mit dem DFB bei sechs Remis mit 15:10 Siegen führen, haben andere Sorgen. Ihre berüchtigte Elfmeterschwäche soll nicht noch einmal zum Stolperstein auf dem Weg zu einem großen Titel werden. Seit geraumer Zeit werden intensiv Strafstöße trainieren.
"Jeden Tag seit dem Trainingslager in Österreich", verriet Tottenham-Stürmer Jermain Defoe.
Englische Medien berichteten, dass Teamchef Fabio Capello mit Frank Lampard, Gerrard, Gareth Barry, Rooney und James Milner bereits die ersten fünf Schützen für eine mögliche Entscheidung vom Punkt nominiert habe.
Jetzt geht's los
Der Italiener und seine Schützlinge haben das erste Vorrundenaus seit 52 Jahren abgewehrt und fühlen sich für die Deutschen gerüstet.
"Die WM beginnt jetzt erst. Es ist egal, wie wir in der Gruppenphase gespielt haben, das interessiert nun niemanden", sagte Lampard, und Capello sah den Sieg gegen Slowenien als die entscheidende Wende für England bei dieser WM.
"Das war das England, das ich sehen wollte. Diese Leidenschaft, diesen Kampfgeist wollte ich haben - den Geist aus unserer Qualifikation."
England bleibt England
Löw ist nicht nur deshalb gewarnt. "England bleibt England: laufstark, kampfstark, mental stark", so der 50-Jährige, der mit dem DFB noch um einen neuen Vertrag pokert.
"Wir kennen die Engländer gut, ich habe viele Spiele der Premier League gesehen. Ich bin immer begeistert vom Tempo und der Eigenschaft, nie nachzulassen und immer bis zur letzten Sekunde alles zu tun", lobte er den Kontrahenten.
Allerdings machte der DFB-Chefcoach auch klar: "Angst haben weder wir noch die Engländer."
Drei Löwen machen Angst
Davon waren Englands Boulevardmedien nicht überzeugt. Gleich mehrere Zeitungen druckten auf ihrer Titelseite ein Foto von der Safari des deutschen Teams am Freitag, auf dem die DFB-Spieler in einem vergitterten Bus und davor drei Löwen zu sehen sind.
"Deutschland hat Angst vor den 'Three Lions'", lautete die Schlagzeile.
Quelle: ORF.at
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