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EIN LEBEN IN WEIß
Gary Edwards stammt aus Kippax, seine Nachbarn kennen ihn als einen Maler, der nichts in Rot malt und der jede rote Farbe kostenlos mit einem weißen Pinselstrich übermalt. Eine Eigenheit, die seiner großen Liebe geschuldet ist. Sein Herz schlägt nicht nur für seine Ehefrau Lesley, sondern auch für die "Peacocks", Leeds United. Seit 45 Jahren hat Gary nur ein einziges Spiel von United verpasst, wegen eines Streiks der Fluglotsen.
1966 hatte alles angefangen. "Mein Vater nahm mich mit an die Elland Road. Wir spielten damals gegen Blackpool und ich war von Anfang an von den Fans, der Mannschaft fasziniert." Die knappe Niederlage hielt ihn nicht davon ab, weiter die Spiele von United zu verfolgen. Sein Vater musste bemerkt haben, was er mit diesem ersten Besuch angerichtet hatte. Denn fortan versuchte er ständig, den jungen Gary zu einem normalen Fußball-Fan umzuerziehen. "Er schleppte mich sogar zu einem Spiel von Huddersfield, aber das interessierte mich nicht. Also ging ich zur Partie der zweiten Mannschaft von United." Das war der Beginn eines langen Lebens, in dem an erster Stelle Fußball steht. Ein Leben, das sicher auch Höhen und Tiefen hatte - genauso wie die Erfolge von United. Die Frage, warum er sich so diesem Verein verschrieben hat, beantwortet Gary ganz einfach: "Der Hauptgrund war unser Trainer - Don Revie."
Don Revie, die Ikone, die Legende von Leeds. Gehasst, geliebt, aufgestiegen, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Um ihn dreht sich alles bei United. Es gibt ein Statue, eine Tribüne, Andenken. Wer an Leeds denkt, denkt an Don Revie.
Anfang der fünfziger Jahre, befand sich Englands Fußball im Umbruch. Man wähnte sich in Unbesiegbarkeit, indem man den "Kick and Rush"-Fußball perfektionierte. Doch die frechen Ungarn, eines der besten Teams der damaligen Zeit, führten die "Three Lions" vor und boten modernen, erfolgreichen und attraktiven Fußball. Der Traum von dem englischen System hatte sich in einen Alptraum verwandelt. Welche Lehren man nun aus den Niederlagen gegen Ungarn ziehen sollte, das war weiterhin unklar. Don Revie, zu der Zeit Offensivspieler bei Manchester City, beobachtete das Spiel der Ungarn genau und adaptierte diesen Stil für seine "Citizens". Aus der grauen Maus wurde mit Hilfe des "Revie-Plans" eines der dominierenen englischen Teams der fünfziger Jahre. Revie selbst wurde "Spieler des Jahres" und stand auf dem Höhepunkt seiner Spieler-Karriere. Er wechselte nach Sunderland, wurde gut bezahlt, aber nicht glücklich und zog weiter in die Midlands, nach Leeds. Es war der Beginn einer beispiellosen Ära. Auch nach dem Abstieg der "Peacocks" aus der ersten Liga, blieb Revie dort und äußerte den Wunsch, später Trainer zu werden. Plötzlich und eher unerwartet bot sich dann ihm die Chance, als 1961 Trainer Jack Taylor seinen Stuhl räumen musste und Revie als Spielertrainer installiert wurde. Der 33-Jährige begann mit Akribie und Enthusiasmus eine neue Mannschaft zu formen. Er baute ein Scouting-Netzwerk auf, lockte Talent kraft seiner Überzeugung nach Leeds und schmiss sie dann ins kalte Wasser. Er wollte nach oben, ganz nach oben.
Schnell ging es nicht, erst kam der Aufstieg in die erste Liga 1964. Dann aber wollte der Erfolg nicht mehr weggehen. United wurde zum Dominator des englischen Fußballs. Zwei Meisterschaften, zwei Messecups und ein FA-Cup landeten in der Vitrine - mit einem Spielstil, der einer Karrikatur des offensiven "Revie-Plans" glich. Extrem defensiv, mit Fouls als probatem Mittel zur Einschüchterung des Gegners. United wurde für diesen destruktiven, überharten Fußball kritisiert und verspottet. Doch einen Blick auf die Arbeit, die hinter jeder Partie, jedem Training stand, warfen nur wenige: Revie schrieb Dossiers über die kommenden Gegner, identifizierte Schwachpunkte und stellte Trainingspläne auf. Sein Team war das Fitteste der Liga, das technisch Beste und das Erfolgreichste. "Er war unser erfolgreichster Trainer. Ich bin ihm großen Dank schuldig: Ich bin glücklich, dass ich in diese Ära geboren wurde und aus diesem Grund werde ich Leeds United für mein ganzes Leben verfolgen", sagt Gary über sein Idol.
Sein Idol wurde auf der ganzen Insel verachtet und gehasst. Er war es gewesen, der den englischen Fußball zum Schlechteren verändert, den Erfolg vor die Moral und Tore vor das "Fair Play" gestellt hatte. Anerkennung wurde ihm fast nicht zuteil. 1974 führte er sein alternendes Team zum letzten großen Erfolg, der Meisterschaft. Doch vor dem fälligen Umbruch schreckte Revie zurück, er übernahm lieber die englische Nationalmannschaft. Erfolg war ihm nicht vergönnt, nach wenigen Jahren nahm er seinen Hut und setzte seine Karriere in Arabien fort. 1989 starb die Leeds-Legende an einer unheilbaren Krankheit im Alter von 61 Jahren.
Für Gary endete seine Serie damit noch lange nicht, es folgten Jahre des Erfolges wie die überraschende Meisterschaft 1992, die Blühtezeit in den späten neunziger und letztlich das Halbfinale der Champions League. Gary sagt, dass vor allem die Kameradschaft unter den eigenen Fans ihn weiter angetrieben hat, diesem Verein die Treue zu halten. Angetrieben auch durch "Jahre der *******", wie ein Fan es drastisch ausdrückte. Plötzlich stand man vor dem Abgrund, die "Peacocks" hatten über ihre Verhältnisse gelebt und fanden sich in der dritten Liga wieder. Langsam und behutsam wurde der Verein wieder nach oben geführt und peilt jetzt den Sprung in die Premier League an. Wie viel Gary für seine Leidenschaft in den vergangenen Jahren bezahlt hat, will er nicht sagen: "Ganz ehrlich? Ich weiß es gar nicht. Möglicherweise wäre ich ein reicher Mann, wenn ich es nicht ausgegeben hätte. Aber es ist gut angelegtes Geld!" Für ein Leben in Weiß.
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