Denkt man über Gewinner und Verlierer der abgelaufenen Saison nach, führt kein Weg an Brawn GP und Jenson Button vorbei. Doch das Jahr hatte noch viel mehr zu bieten, sportal.de erinnert an crashgate, liegate, Doppel-Diffusor und Jessica Michibata.


Top: Neue Regeln braucht das Land

Es ist Zeit für eine Beichte: In der sportal.de-Redaktion sind Formel-1-Liebhaber und Experten rar gesät. Doch die zahlreichen Regeländerungen, die häufiger werdenden Überholmanöver, die überraschenden Erfolge von Brawn GP und Red Bull und die damit verbundene Schwäche der einstigen Herrscher Ferrari und McLaren-Mercedes weckte zu Beginn der Saison auch das Interesse der Redakteure mit wenig bis gar keinem Benzin im Blut. Die Regeländerungen sorgten jedenfalls für mehr Spannung und wenn die Regel-Lücke des Doppel-Diffusors nicht von Brawn GP entdeckt und genutzt worden wäre, wäre die Titelentscheidung wohl erst in Abu Dhabi gefallen. Die FIA hat so gesehen vieles richtig gemacht, die Schlagzeilen abseits der Strecke wurden trotzdem nicht weniger...


Flop: Ein Skandal mehr oder weniger

Affären gab es in der Formel 1 schon immer zur Genüge, doch in der vergangenen Saison reihte sich ein "gate" an den nächsten. Liegate wurde von Crashgate abgelöst und der Konflikt zwischen FIA und FOTA bekam wohl keinen eigenen Namen, weil es nicht so schön passte. Lewis Hamilton wurde beim Lügen erwischt, daraufhin erhielt sein Rennstall eine Bewährungsstrafe und sein Chef Ron Dennis musste die Formel 1 sogar komplett verlassen. Nelson Piquet jr. wiederum baute absichtlich einen Unfall und schenkte Teamkollege Fernando Alonso den ersten Saisonsieg - auch hier wird mit Renault-Teamchef Flavio Briatore ein prominentes Opfer gefunden, wobei auch Piquet vorerst keine Zukunft mehr in der Formel 1 hat. Beim Streit zwischen FIA und FOTA haben wir dagegen irgendwann den Überblick verloren, es wird auf jeden Fall auch im nächsten Jahr gefahren.


Top: Nico Rosberg

Wer ist der Teamkollege von Nico Rosberg? Nach kurzer Überlegung fällt dann doch der Name Kazuki Nakajima, aber der Japaner war im zweitklassigen Williams so unterlegen, dass er erstens keinen neuen Vertrag bekommt und zweitens die Leistung des Deutschen umso höher einzuschätzen ist. Rosberg sammelte alle 34,5 Punkte für Williams - die Belohnung folgt in den kommenden Tagen. Der 24-Jährige soll zum Weltmeister Brawn GP wechseln und erstmals um den Titel mitfahren.

Flop: Die Erben Massas

Die Bilder von Felipe Massas Unfall in Ungarn gingen um die Welt. Getroffen von einem Metallteil verlor der Brasilianer das Bewusstsein und raste ungebremst in einen Reifenstapel. Kurzzeitig bangten die Ärzte sogar um das Leben Massas, mittlerweile ist klar: Massa wird wieder gesunden und in der nächsten Saison in seinen Ferrari steigen. Doch was sich in der Zwischenzeit in seinem Cockpit abspielte, war kein Ruhmesblatt für den italienischen Rennstall.
Der scheinbare Coup mit Michael Schumacher entpuppte sich nach den ersten Testfahrten als Rohrkrepierer, der verletzte Nacken des Rekordweltmeisters war nicht für die Fliehkräfte im Ferrari gemacht - oder war alles nur ein PR-Gag? Die Verpflichtung von Luca Badoer spricht eher dagegen, der Testfahrer fuhr gnadenlos hinterher und das hätten die Verantwortlichen durchaus wissen können. Also schauten sich Teamchef Stefano Domenicali und der technische Direktor Luca Baldisserri weiter um und holten nach seinem zweiten Platz in Spa den Italiener Giancarlo Fisichella aus seinem Force India. Ob es die fehlenden Testkilometer waren oder Fisico einfach nicht in den Ferrari passt sei dahingestellt - Fisichella fuhr in seinen fünf Rennen gnadenlos hinterher, wäre er doch nur geblieben...


Top: Force India

In der vergangenen Saison verkümmerte Nach-Nach-Nachfolger von Jordan Grand Prix zum Null-Punkte-Team und es sprach sehr wenig dafür, dass sich das im Jahr 2009 ändern sollte. Doch Fisichella bis zu seinem Weggang und Adrian Sutil machten immer wieder mit respektablen Ergebnisse auf sich aufmerksam. Häufig zwar nur im Training, aber der zweite Platz von Fisico in Spa und Sutils vierter Rang in Italien brachten Force India insgesamt 13 Punkte ein, das erste indische Team in der Formel 1 hat einen erheblichen Sprung nach vorne gemacht.


Flop: Toyota

Zwischen den Etats von Force India und dem Finanz-Markführer Toyota liegen unglaubliche 340 Millionen Euro. Während die Inder ihre 13 WM-Punkte mit 90 Millionen einfuhren, brauchte Toyota für ihre 59,5 Zähler 430 Millionen Euro. Nichts neues also aus Japan, im Fußball würde man sagen: Geld schießt keine Tore!


Top: Sebatian Vettel

Red Bull Racing galt bisher nicht wirklich als Siegkandidat, umso höher ist der Aufstieg in dieser Saison zu bewerten. Der deutsche Shootingstar Sebastian Vettel profitierte von einem von Adrian Newey hervorragend abgestimmten Auto, zeigte aber auch selbst viele tolle Rennen, hielt seinen erfahreneren Teamkollegen Mark Webber in Schach und sicherte sich in Abu Dhabi den Vize-Titel. Kompensiert er seine Form und stellt er seine Flüchtigkeitsfehler ab, wird Vettel auch in der kommende Saison um den WM-Titel mitfahren - auch auf deutschem Boden...


Flop: Hockenheimring

In der Formel 1 wird soviel deutsch gesprochen wie noch nie, nur bei der Wirtschaftlichkeit der Strecken gibt es Probleme. Und so verging im letzten halben Jahr kein Tag ohne eine Nachricht über den Hockenheimring. Finanzielles Risiko, Streichung aus dem Kalender, Pleite, vertagte Entscheidung, Zukunft gesichert - es war eigentlich alles dabei. Nun steht es fest, es wird auch im nächsten Jahr auf deutschem Boden gefahren. Vielleicht wäre ein Verzicht aber die bessere Lösung gewesen.


Top: Brawn GP und Jenson Button

Zum Abschluss kommen wir nicht an den Weltmeistern vorbei. Was war das auch für eine Geschichte? Ross Brawn, als Superhirn bei Michael Schumacher WM-Titel in die Formel-1-Annalen eingegangen, kaufte Honda für den symbolischen Wert von einem Pfund einen kompletten Rennstall ab. Was bei knapp 700 Mitarbeitern nach großem Risiko klang, ging total auf. Der Wagen war konzipiert, mit der genialen Neuerung des Doppel-Diffusors kreierte Brawn sogar ein Siegerauto und die Konkurrenz schaute bei den ersten Rennen gehörig in die Röhre.
Jenson Button gewann so sechs der ersten sieben Rennen. Böse Zungen behaupten, der Brite sei eigentlich nur ein halber Weltmeister, denn seit dem Erfolg in Istanbul verwaltete Button seinen Vorsprung nur noch und blieb zehn Rennen ohne Sieg. Auf der anderen Seite leistete sich Button keine Fehler und fuhr immer in die Punkte, das war sein zweites großes Plus gegenüber seinen Konkurrenten Sebastian Vettel und Rubens Barrichello. Und dann ist da noch die dritte Fraktion, denen das Sportliche völlig egal ist und die Button zum Top der Saison küren, weil er Unterwäschemodel Jessica Michibata in die Königsklasse gebracht hat. Frau Michibata ist übrigens Japanerin, apropos...


Flop: Honda

Auch wenn der neue Vorstandsvorsitzende Takanobu Ito artig gratulierte und Hondas Ausstieg aus der Formel im vergangenen Dezember verteidigte, die Frage, ob bei seinem Vorgänger Takeo Fukui die eine oder andere Schraube locker war, dürfte in Tokio schon mal gestellt worden sein. Honda steigt aus, kriegt sogar nur ein Pfund dafür und muss dann mit ansehen, wie der fertige Bolide mit Mercedes-Motoren beide WM-Titel einfährt. Ito nahm es mit Fassung: "Ich bedauere den Schritt nicht. Wir lieben die Formel 1, aber wir mussten an unser Unternehmen denken." Gut, dass es in Japan für alles ein Sprichwort gibt: "Was man will, wird man nicht. Was man wird, will man nicht." Wir freuen uns schon auf die kommende Saison.


Marcus Krämer


Quelle: http://www.sportal.de