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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Interview mit Jogi Löw



Meckpommi
22.12.2008, 21:55
Am Ende eines turbulenten Jahres mit der EM-Finalteilnahme und dem Wirbel um Michael Ballack hat Jogi Löw zu gemeinsamen Anstrengungen auf dem Weg zur WM 2010 aufgefordert. "Wir alle können uns verbessern. Wir sind noch nicht am Ziel", erklärte er.
Unter seiner Auseinandersetzung mit den Führungsspielern Michael Ballack und Torsten Frings habe die Nationalelf "gelitten", räumte Löw ein. 2009 will er wieder Fitness-Tests für die Nationalspieler abhalten.


Wo steht der deutsche Fußball zum Jahresende 2008, gerade auch im internationalen Vergleich?

Löw: "Vieles ist in diesem Jahr zufriedenstellend gewesen. Wir haben fast das Maximale erreicht. Bei der EM sind wir im Finale gewesen, das war ein Erfolgserlebnis, auch wenn wir verloren haben. Es ist jedoch klar, dass wir unsere Arbeit weiter optimieren wollen und dazu haben wir unsere Analysen gemacht."


Wo sehen Sie konkret die Notwendigkeit zur Steigerung?

http://ad.de.doubleclick.net/ad/4471.sportal.de/fussball_em;sz=300x250;tile=2;ord=123456789? (http://ad.de.doubleclick.net/jump/4471.sportal.de/fussball_em;sz=300x250;tile=2;ord=123456789?) Löw: "Es ist die wichtigste Aufgabe, dass wir uns in allen Details verbessern, im nächsten Jahr und in der Zukunft. Die WM-Qualifikation schaffen, junge Spieler einbauen, die Infrastruktur verbessern, Nachwuchsarbeit optimieren, all' dies werden wir angehen. Es gibt schon noch Bereiche, wo wir neue Maßstäbe setzen können und wollen. Denn wir waren spielerisch nicht immer auf hohem Niveau."


Gilt das auch für die Vereine in der Bundesliga?

Löw: "Wir alle können uns verbessern. In punkto Tempo, in punkto Taktik müssen wir weiter arbeiten. Wir sind noch nicht am Ziel."


Nur ein deutscher Verein im Achtelfinale der Champions League kann nicht nach dem Geschmack des Bundestrainers sein.

Löw: "Da wird der beste, intensivste Fußball gespielt. Für jeden Spieler ist es enorm wichtig, sich in der Champions League zu zeigen. Da kann man sich am ehesten messen und verbessern in der Entwicklung. Es wäre wünschenswert, wenn all' unsere Mannschaften die Vorrunde überstehen würden. Umso mehr vertreten sind, desto besser."


Das heißt, Sie teilen die Forderung von Karl-Heinz Rummenigge, dass die deutschen Spitzenteams bessergestellt werden müssen, zum Beispiel auch beim Thema Verteilung der Fernsehgelder, um international konkurrenzfähig zu sein?

Löw: "Das ist nicht mein Ansatz. Für mich gibt es ein anderes Thema. Für mich hat qualitative Verbesserung absolute Priorität. Andere Dinge kann ich nicht beeinflussen. Und es gibt Vereine, die beweisen, dass sie mit einer konzeptionellen Arbeit mittel- und langfristig erfolgreich sind und durch eine gute Ausbildung dann Geld einnehmen. Für mich ist der sportliche Inhalt der Ansatz."


Was werden Sie thematisch ändern, gibt es Neuerungen oder die Rückkehr zu Bewährtem wie dem Fitness-Test?

Löw: "Es ist schon wichtig, dass wir den Fitness-Test mal wieder machen. Man kann es nur machen, wenn ein Doppel-Spieltag ansteht. Wenn nur ein Spiel ansteht, wie vor der EM im ersten Halbjahr 2008, macht es keinen Sinn. Da gab es andere Dinge, die wichtiger waren. Es ist gut, wenn wir unsere Datenbank jetzt wieder mit Anhaltspunkten aus dem erweiterten Kader auffüllen."


Gerade in der Nationalmannschaft rückten die sportlichen Aspekte im zweiten Halbjahr in den Hintergrund. Was sind die Lehren aus dem Streit mit Michael Ballack und Torsten Frings?

Löw: "Wir haben festgestellt, dass wir vor Disharmonien nicht gefeit waren - warum auch? Wo starke Spieler und ein qualitativ guter Kader vorhanden sind, können solche Dinge immer mal passieren. Es hat unser Profil und unsere Sinne nachhaltig geschärft. Wir haben die Lehren aus diesen Ereignissen gezogen. Wir werden die Dinge weiter vorantreiben, die wir für richtig halten. Das ist ein nie endender Prozess. Trainerteam und Management werden im kommenden Jahr ganz speziell darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden."


Ist durch öffentlich ausgetragene Auseinandersetzungen das Bild der Nationalmannschaft verändert worden?

Löw: "Es gab manche Rückschläge, die wir im Laufe des Jahres erleben mussten. Dadurch ist auch das Bild der Nationalmannschaft in ein anderes Licht gerückt worden. Und darunter haben wir gelitten. In Zukunft werden wir vermeiden, dass Auseinandersetzungen öffentlich ausgetragen werden. Es war mir in dieser Situation von Anfang an klar, was zu tun ist. Kritik muss intern geäußert werden. Wir sind intern für alle Kritik offen, weil wir Kritik als etwas Positives sehen. Wir fragen uns selbst, was können wir besser machen."


Ballack und Frings werden beim ersten Länderspiel gegen Norwegen am 11. Februar in Düsseldorf also wieder zum Kader gehören?

Löw: "Wenn beide von Verletzungen verschont bleiben, wenn die Vorbereitung stimmt. In England wird Michael Ballack beim FC Chelsea ja keine Winterpause haben und somit im Rhythmus sein. Wenn Torsten Frings bei Werder Bremen in der Vorbereitung seinen normalen Leistungsstand erreicht, ist er wertvoll für die Mannschaft."


Sie haben zuletzt personell experimentiert. Setzen Sie diesen Kurs fort oder hat die WM-Qualifikation mit dem stärkstmöglichen Team absolute Priorität?

Löw: "Die WM-Qualifikation ist das wichtigste Ziel für den deutschen Fußball. Darüber hinaus gibt es auch andere Ziele, die wichtig sind, um das große Ziel WM zu erreichen."


Das heißt, 2009 gibt es keine personellen Experimente?

Löw: "Es war nach der EM ein klares personelles Gerüst zu erkennen. Es gab aber einen Punkt, da waren einige verletzt, da brauchten wir wieder mehr Alternativen. Wir haben jetzt am Anfang eines Zweijahresrhythmus' die Möglichkeit, Spieler zu fördern und zu sehen, ob sie in der Lage sind, das Niveau Richtung 2010, 2011, 2012 zu erreichen. Wir haben experimentiert, wo es angebracht war. Das wird im nächsten Jahr mit Sicherheit auch noch mal vorangetrieben. Wir haben eine wichtige Qualifikation, aber auch eine Asienreise im Sommer, da werden Situationen entstehen, in denen wir testen wollen, um danach gegen Ende des Jahres den Kader zu verkleinern."


Also haben auch die "spanischen Sorgenkinder" Christoph Metzelder und Timo Hildebrand Chancen auf eine Zukunft im Nationaltrikot?

Löw: "Christoph Metzelder hat zuletzt wieder gespielt. Ich denke, dass er profitiert von dem Trainerwechsel. Ich denke, dass der neue Trainer mit ihm gewisse Pläne hat, und wenn Metzelder regelmäßig spielt, bei einem Verein wie Madrid, dann ist er ein qualitativ hervorragender Spieler. Er ist nun seit längerem ohne Verletzung. Wenn jetzt die Spielpraxis dazukommt, dann kommt er um einige Prozente nach oben in seiner Leistungsfähigkeit. Was ihm fehlt, sind einfach Spiele. Und wenn er regelmäßig spielt, ist er für uns weiterhin ein interessanter Spieler."


Und Hildebrand?

Löw: "Unter den Umständen in Valencia war es für Timo Hildebrand ein guter Schritt zu wechseln. Mit Hoffenheim hat er einen Verein, der wohl bald international spielen wird. Für ihn freut mich das, weil er jetzt wieder ein Ziel und eine klare Aufgabe hat."


Stichwort Hoffenheim. Hat Sie der Erfolg des Aufsteigers überrascht?

Löw: "Nein. Ich habe sie in der vergangenen Saison in der 2. Liga das eine oder andere Mal gesehen und gemerkt, dass in der Mannschaft viel mehr Potenzial steckt. Man konnte die Qualität schon erkennen. Dass sie eine gute Rolle spielen, war nicht überraschend, weil ich auch sehe, dass hinter allem ein gutes Konzept und eine kluge Philosophie steckt. Sie haben immer spielerisch ihre Akzente gesetzt. Das ist nicht die Euphorie eines Aufsteigers, sondern die Qualität dieser Mannschaft. Ich bin sicher, dass Hoffenheim die nächsten Jahre in der Bundesliga-Spitze zu finden sein wird. Auch, weil in dem Verein unbelastet gearbeitet wird, ohne diese Drucksituation, die vielleicht manche Traditionsclubs haben."


Bayern-Manager Uli Hoeneß kann also dauerhaft ein neues Feindbild pflegen?

Löw: "Uli Hoeneß freut sich ja, wenn er ab und zu ein Feindbild hat (lacht). Ich bin sicher, das weiß ich auch vom Jürgen Klinsmann, dass man in München die Arbeit in Hoffenheim schätzt und respektiert. Die Bayern wissen, dass Hoffenheim schon in diesem Jahr ein ernstzunehmender Konkurrent ist."


Wie feiert der Bundestrainer Joachim Löw Weihnachten?

Löw: "Ich freue mich, dass ich mal zu Hause sein kann, meine Familie und Freunde treffe. Einfach mal die Tage in Ruhe genießen. Ich war auch in diesem Jahr wieder viel unterwegs. Ich freue mich einfach, mal wieder auf andere Gedanken zu kommen und mal wieder ein bisschen Zeit zu haben."
In einem TV-Spot geben Sie sich derzeit bescheiden und wollen als Urlauber keine Extrawürste. Mit was für einer Extrawurst könnte man Ihnen denn wirklich eine Freude machen?

Löw: "Mit einer guten Flasche Wein, einem roten."


Quelle:www.sportal.de (http://www.fifaplanet.de/www.sportal.de)