Ungläubig blickte ich an das nur allzu bekannte Gesicht vorbei, in den Flur des Krankenhauses, wo alles wie gewohnt ablief, keine Schwestern im Rückwärtsgang, erstarrte Ärzte oder sonstiges ungewöhnliches, doch ich wollte es trotzdem nicht wahrhaben. Wie konnte das sein?
'Wie konnte das wahr sein?' murmelte ich immer wieder vor mir hin, immer noch auf den Moment wartend, in dem ich schweißgebadet in meinem Bett aufwachen würde und froh war, munter zu sein. Langsam näherte sich die Gestalt meinem Krankenbett und fasste mir an die Schulter, ein kalter Schauer durchführ meinen Körper, das war tatsächlich die Realität!
'Wie zum Teufel nochmal ist das möglich? Das kann doch nicht gerade wirklich passieren?' stammelte ich.
'Hast du beim letzten Spiel auch was auf den Kopf bekommen, Alter? Begrüßt man so seinen besten Freund?'
'Bogdan! Ich dachte, du wärst....'
'......tot? Nun, ich war es quasi, ich war an einem der schlimmsten Orte der Welt, München, aber ich habe es geschafft zu entkommen, und jetzt bin ich hier.'
Ich musterte ihr von oben bis unten, die Größe, seine Figur, das alles passte, einen Doppelgänger zu finden, schien mir für ihn schon ein Ding der Unmöglichkeit, aber so einen zu finden, der sowohl rumänisch als auch ein paar Brocken finnisch sprach, das konnte nicht sein.
'Was ist passiert, Bogdan, wo warst du die letzten gut 18 Monate, die Polizei hat deine Leiche identifiziert, wie kannst du heute hier vor mir stehen?'
'Sorin, setz dich, das ist eine verrückte und lange Geschichte, die ich dir nun erzählen werde!'
Ich schaute im Raum um mich und klopfte demonstrativ zweimal rechts und links auf die Decke meines Bettes. 'Ich liege doch, verdammt, jetzt spann mich nicht länger auf die Folter!'
'Also gut, Sota, hör zu, ich beginne an dem Abend, als ich in deinem Namen eine SMS an Ioana geschrieben habe und abgehaut bin. Ich ging durch die Straßen zu dem Hotel, dass ich dir aufgechrieben habe, doch in einer Seitengasse wurde ich geschnappt und entführt, ich dachte zuerst, Becali würde dahinter stecken, doch es waren die Typen, denen ich viel Geld geschuldet hatte, sie drohten mir, mir etwas anzutun, wenn ich nicht innerhalb von einer Woche zahlen würde. Ich versuchte mein Glück bei einem illegalen Pokertunier und hatte Glück, gewann dieses, doch in diesem Moment bereute ich die Sicherheitsvariante um an Geld zu kommen im Vorhinein gezogen zu haben. Ich wurde direkt vor dem Club abgepasst und mitgenommen. Man nahm mir meine persönlichen Sachen und mein Portemonnaie ab, meine Schulden schienen damit beglichen, aber was der Typ nicht wusste: ich hatte einen Spitzel bei der Mafia verpfiffen und dadurch viel Geld bekommen, man lauerte 'mir' unweit des Clubs auf, der Typ dürfte also sein Geld vermutlich dort begutachtet haben und da er meine persönlichen Sachen und Ausweise bei sich hatte, nahm er den Platz bei Fischen an meiner Stelle ein. Es begann eine Odysee für mich, ich war nur noch auf der Flucht, auf der Flucht vor der den Typen, denen ich Geld schuldete und auf der Flucht vor den rachelüstigen Kumpanen des Spitzels. Ich konnte nicht nach Deutschland, England oder Bukarest schon gar nicht, dort würde man mich ja vermuten, ich entkam also als blinder Passagier auf einem Frachtschiff nach Dänemark, reiste über Polen, die Ukraine und Bulgarien in die Türkei, die letzten Monate verbrachte ich in Kasachstan, weit abseits der Zivilisation und auf mich alleine gestellt. Ich arbeitete für wenig Geld auf einer Farm, um Überleben zu können und erst vor wenigen Wochen hatte ich genügend Geld zusammen, um meinen Namen ändern zu lassen, keiner wird mehr nach Bogdan Dimitrescu suchen, weil es ihn nicht mehr gibt, es gibt in Kasachstan sogar ein Grab von mir mit diesem Namen, von nun an beginnt ein neues Leben für mich!'
Ich schluckte. War das wirklich gerade alles passiert? Die Geschichte klang fast schon so unglaublich, dass sie für Bogdan's Verhältnisse wahr sein müsste.
Wir unterhielten uns über die lange Zeit, in der wir nichts voneinander wussten, tauschten uns aus und obwohl ich nun alles wusste, juckten mich zwei Fragen: warum ließ mich die Polizei glauben, dass Bogdan tot sei und warum kam er jetzt plötzlich wieder?
'Das klingt ja alles wie aus einem schlechten Krimi, Alter, ich will nicht wissen, wie es dir ergangen sein muss, aber du hättest dich wenigstens melden können bei mir, ich dachte, du wärst tot, ich war in der Klapse deshalb und verdammt, sieh mich an, es ist alles am Ar.sch, aber dass du da bist macht verdammt viel wieder gut. Zwei Fragen quälen mich, warum dachte die Polizei in Manchester, dass du tot bist und warum tauchst du erst jetzt auf!'
'Sota, es tut mir leid, aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich früher gekommen, denkst du, die letzte Zeit war leicht für mich, weißt du, was man auf dem Land in Kasachstan bekommt? Nichts, oder fast nichts, keinen Wodka, Tequila, und auch nicht anständiges zu essen. Diese Zeit war der absolute Horror für mich, ständig Angst zu haben, ob sie mich nicht finden und töten, aber auch der Gedanke, nichts zu saufen zu haben und nicht zu wissen, wie es weitergeht? Warum die Polizei das gesagt hat, weiß ich selbst nicht, wer weiß, was die mit dem angestellt haben, vielleicht war die Leiche so entstellt, dass sie ihn nicht mehr identifizieren konnten und weil mein Ausweis und meine Sachen dort waren, haben sie einfach geglaubt, dass es ich sei. Dass ich erst jetzt komme, hat einen einfachen Grund, der Clan, dessen Spitzel ich verpfiffen hatte, wurde vor Kurzem in einem Drogenkrieg komplett ausgerottet, was ich erfuhr und auch nachgeforscht hatte, ich wollte einfach ganz sicher gehen, daher war es mir wieder möglich Kasachstan zu verlassen.'
'Und warum hast du mich nicht wissen lassen, dass du lebst?'
'Weil ich es nicht riskieren konnte, dass ein Lebenszeichen von mir nach außen dringt, ich wusste nicht, wie weit die gehen würden, das war mir zu unsicher, dass sie mich womöglich finden würden.'
Ich gab mich mit Bogdan's Erklärung zufrieden, er hatte recht, ich konnte mir nicht vorstellen, was er durchgemacht hatte, doch dass er nicht tot war, war das beste, was mir seit Monaten passierte. Ich erklärte Bogdan, was in den letzten gut anderthalb Jahren passiert sei, dass ich es sportlich und psychisch bei Manchester United nicht geschafft hatte, nach seinem Tod komplett abgestürzt sei, mich aber zurück gekämpft hatte und Ioana verloren hatte. Kurzum, ein kompakter Rückblick der Zeit ohne ihn. Bogdan hörte interessiert zu und erzählte mir auch danach, wie es ihm in der Zeit erging. Als die Besuchszeit vorüber war, ging ich mit ihm noch in den Park vor dem Krankenhaus, wir hatten noch einiges zu bereden und ich wollte mit ihm anstoßen, auf ein neues Leben. Für solche Fälle hatte ich immer zwei kleine Fläschchen Alkohol bei mir. Ich überreichte Bogdan eine, doch der winkte ab und erklärte mir, dass er seit gut einem Jahr trocken sei! Ja, die Dinge verändern sich.......
Die folgenden Tage kam er mich jeden Tag besuchen, wir verbrachten viel Zeit miteinander und so verging der Krankenhausaufenthalt zum Glück schnell. Trotzdem stimmte es mich traurig, dass ich in der Liga nicht mehr zum Einsatz kam, ich wurde nicht rechtzeitig fit und so signalisierte man mir, dass mein Vertrag bei Chicago nicht verlängert werden würde. Da stand ich also, wieder bei Null angekommen, mein Spielerberater wollte sich umhören, aber ich wusste, dass es schwer werden würde. Auch wenn ich in der Vergangenheit schon viel gezeigt hatte, der Weg zurück war doch ein schwierigerer, als ich mir das vorgestellt hatte. Auf meiner Facebookseite beglückwünschten mich einige meiner früheren Nationalmannschaftskollegen, sowie Ilkay und Burak zur Genesung, auch in meinem Briefkasten stapelten sich Fanbriefe, großteils von amerikanischen oder rumänsichen Fans, doch irgendwie fühlte ich mich leer. Und ich wusste auch genau, warum. Entweder war es in diesem Moment pure Verwzeiflung, oder purer Optimismus, aber noch im selben Moment hatte ich einen Flug nach New York gebucht und da der Flieger bereits heute Abend gehen würde, packte ich das nötigste ein und machte mich auf den Weg.
Zum Glück war es nur ein kurzer Flug und gegen 23 Uhr Ortszeit war ich bereits mit dem Taxi auf dem Weg in Richtung Hotel. Ich wollte mich erstmals ausruhen und morgen auf die Suche nach Ioana machen. Wie ich genau vorgehen würde, wusste ich noch nicht, ich wusste lediglich, dass sie in New York war und einen reichen Geschäftsmann geheiratet hatte. Bevor ich an schlafen denken konnte, geisterten mir alle möglichen Szenarien durch den Kopf. Wie würde sie reagieren, wenn ich sie treffen würde, wollte sie mich überhaupt sehen, oder war sie ohnehin glücklich und vorallem, wie ging es den Kindern? Jeglicher Versuch zu schlafen, misslang mir, dabei wollte ich morgen Mittag fit sein. Es nervte mich, mich im Bett herum zu wälzen, also drehte ich den Fernseher auf und hoffte, dass ich so einschlafen konnte. Als es gegen 3 Uhr früh mit den Kardashians im Fernsehen weiterging war ich innerhalb von Sekunden im Tiefschlaf.
Am nächsten Tag wachte ich gegen 11 Uhr auf, der Fernseher lief nach wie vor, doch ich hatte gut geschlafen. Nach einem ausgiebigen Frühstück kam mir die Idee Adrian anzurufen, vielleicht könnte er mir helfen. Leider erreichte ich ihn wieder nicht, doch als ich ihm schrieb, dass ich in New York sei und wild entschlossen, Ioana zu suchen, kam innerhalb einer halben Stunde die Antwort, dass ich ihn in einem Café im Central Park treffen sollte. In diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte Bogdan doch mitgenommen, eine moralische Unterstützung hätte ich jetzt gut gebrauchen können, ich war nervöser als bei meinem allerersten Date.
Ich war extra pünktlich und sah Adrian in der Ecke des Café's sitzen, neben ihm Diana und Florin. Ich begrüßte ihn und setzte mich zu ihm, auch wenn ich eigentlich vor Neugier platzte und umbedingt wissen wollte, wie es Ioana ging, konnte ich mich nicht von den Zwillingen abwenden. Ich war begeistert, dass sie offensichtlich wussten, wer ich war, in all den Monaten zuvor hatte ich nie so sehr mit den Kindern beschäftigt. Als ich mich dann endlich abwenden konnte, beziehungsweise uninteressant wurde, als das Essen kam, platzte ich direkt heraus und wollte wissen, wie es Ioana ging.
'Sorin, versteh mich nicht falsch, aber bitte mach etwas. Das kann so doch nicht weitergehen. Ich spiele hier den Babysitter und bin mehr oder weniger nur noch für die Kinder da, weil Ioana nicht in der Lage ist. Sie ist da mit diesem Thompson verheiratet, aber der Typ tut ihr absolut nicht gut, macht sie psychisch total fertig, sie ist nicht mehr sie selbst und schlimmste ist, dass sie es nicht erkennt. Er behandelt sie nicht gut, angeblich schlägt er sie sogar, kontrolliert sie oder lässt sie kontrollieren und neulich hat er ihr verboten, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, er akzeptiert die Kinder nicht, daher passe ich die ganze Zeit auf sie auf. Sie hat so sehr abgenommen und ich denke nicht, dass sie wirklich glücklich ist.'
Adrian packte mich an den Schultern und ich konnte in seinem Blick sehen, wie sehr er hoffte, dass ich eine Idee hatte, doch das, was er mir erzählte, ließ mir erstmals die Lade runter klappen.
'Bogdan ist wieder da, er lebt!' brachte ich nur heraus, völlig perplex von allem, was in den letzten Tagen passiert war.
'Bitte was, DER Bogdan, dein bester Freund? Ich dachte, er war ermordet worden?'
'Ja, nein, entschuldige, das ist eine lange Geschichte, aber passt hier jetzt nicht. Adrian, weißt du, wo sie wohnt, oder wo ich sie treffen kann, ich will sie umbedingt sehen. Hat sie von mir erzählt, denkst sie auch noch an mich, oder gar nicht mehr?'
'Ständig, Sorin! Ständig! Also zumindest bis vor wenigen Wochen, seitdem sehe ich sie kaum noch. Ich weiß nicht mehr weiter Sorin, ich habe Angst, dass ich sie komplett verliere, dass wir sie verlieren, ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht, ich habe fast kein Geld mehr, ich kann ja schlecht mit den Kindern auf die Straße.'
'Wieviel brauchst du, ich helfe dir aus, bist du wieder flüssig bist,' bot ich ihm an, doch er lehnte ab.
'Danke Sorin, aber das ist nicht nötig, ich habe ihr bereits geschrieben, was Sache ist, ich treffe sie heute Abend und ich hoffe, dass sie zur Vernunft kommt. Wenn es dir recht ist, erwähne ist, dass du hier bist und ich mich mit dir getroffen habe.'
'Ja bitte, mach das auf jeden Fall, kann ich nicht mitkommen?'
'Das ist keine gute Idee Sorin, vermutlich wird ihr Mann oder sonst wer auf sie warten und sie beobachten, aber ich werde an ihrer Reaktion sehen, wie es aussieht und sie auch. Sorin, entschuldige, ich muss los, ich muss noch einkaufen und dann die Kinder zu Craig bringen, er passt heute Abend auf sie auf, bis ich wieder komme, wir treffen uns dann morgen im Laufe des Tages, ich schreibe dir noch wann und wo und wie das heute gelaufen ist, ok?'
Ich nickte, aber in dem Moment als Adrian die Zwillinge nehmen und gehen wollte hielt ich ihn auf und bot an, die Kinder bis zum Abend zu nehmen. Natürlich war er einverstanden, ich teilte ihm mit, in welchem Hotel ich wohnte, wir wollten uns gegen 21 Uhr dort treffen. Nun war es also geschafft, der erste Schritt war getan, nun musste ich abwarten und hoffen, dass mein Name das übrige erledigen würde.....
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