Niels war also weg und ich war quasi alleine – glücklicherweise blieb ich jedoch auf der Arbeit von irgendwelchen Fragen zu diesem Thema verschont, denn der Brand schaffte es nicht über das Kleingedruckte in den Zeitungen hinaus und so konnte ich mich auf die Arbeit kontrollieren. Gegen den FC Midtjylland sollte es im nächsten Spiel gehen, es war ein Heimspiel und in gewisser Weise stand mein guter Ruf auf dem Spiel: Auch wenn wir wettbewerbsübergreifend in den letzten zehn Spielen mit drei Siegen, zwei Remis und fünf Niederlagen eine für Hobro-Verhältnisse „anständige“ Bilanz hatten, sah die Quote in der Liga ungleich verheerender aus: Nur zwei Punkte konnten wir aus den letzten sechs Begegnungen holen. Doch ich hatte ein gutes Gefühl, jedenfalls fühlte es sich so an wie ein gutes Gefühl. Vielleicht waren es auch die Kombination aus 22 Stunden am Stück über der Taktik brüten und sich mit einer nicht abgezählten Menge Oxycodon und Kaffee auf den Beinen halten.
Doch mit dem Anpfiff sah es dann direkt wieder schlechter aus. Midtjylland hatte Anstoß und nagelte uns von der ersten Spielminute an in der eigenen Hälfte fest, die Gäste kamen folgerichtig auch bald zur ersten Chance: Pione Sisto, der dänische Rechtsaußen mit Wurzeln aus dem Südsudan, setzte sich ab, wurde von Poulsen geschickt und schlenzte den Ball aus der zweiten Reihe auf den Kasten, doch Rask konnte parieren. Mit einer gewissen Genugtuung konnte ich bemerken, dass Tim Sparv – der im letzten Spiel noch Andreas Hoelgebaum Pereiras Knöchel als Aggressionsbewältigungstherapie genutzt hatte – nicht nur nicht in der Startelf stand, sondern nichtmal im Kader war. Doch mit dem Finnen fehlte ein wichtiger Stabilisator im Mittelfeld, was wir auch bei unserer ersten Chance ausnutzten: Nygaard setzte sich auf außen nicht durch und zog durch die Mitte, wo ein gigantisches Loch im Abwehrverbund klaffte. Von dort steckte der Rechtsaußen auf den mittlerweile durchgestarteten Jesper Bøge durch, der sich gegen Lauridsen behaupten konnte und den Ball plaziert in die Lange Ecke setzte. Die Führung kam aus dem Nichts und war glücklich, aber in der Folge kamen wir besser ins Spiel und nahmen das Heft des Handelns in die Hand. Dennoch bestrafte uns Midtjylland per Konter für einen leichtfertigen Ballverlust von Jónsson: Sisto leitete den Ball auf Igboun weiter, der mit zwei schnellen Haken die Lücke zwischen Tjørnelund und Christensen fand und den Ball unhaltbar im langen Eck versenkte. Mit diesem Remis ging es in die Pause, und nach dem Seitenwechsel war erneut Midtjylland stärker. Doch zu unserem Glück schien es die ungeschriebene Regel dieser Partie zu sein, dass die eine Mannschaft gut und die andere effektiv spielt: Ein Konter von uns lief über Tjørnelund und Hvilsom bis in den gegnerischen Sechzehner. Dort hob der Linksverteidiger den Kopf und schaufelte den Ball in die Mitte, wo Jón Böðvarsson per Direktabnahme zur Stelle war und den Ball ins Tor setzte. Vier Minuten später machten wir den Sack dann zu, als ein Steilpass von Ruben Jessen bei Lasse Vigen Christensen landete, der ihn aus der zweiten Reihe unhaltbar in den Winkel schweißte. Zwar kam Midtjylland in der 81' Minute durch einen Fernschuss von Pusic noch zum Anschlusstreffer, doch wir konnten den Sieg mühelos über die Zeit bringen und uns so vor dem ersten Rückspiel in der Europaleague mit einem überfälligen Sieg in der Liga Selbstbewusstsein holen..
Lasse Vigen Christensen entschied das Spiel heute
Das erste Rückspiel der Europaleague-Gruppenphase kam für uns mit dem richtigen Gegner zur richtigen Zeit. Die Young Boys Bern traten im ausverkauften Hobro Idrætsscenter an und nachdem wir zuletzt ja gute Vorarbeit geleistet hatten, hatte auch der FC Basel in der Liga den Bernern eine echte Abreibung verpasst und sie mit 4:0 aus dem Stadion geschossen. Die in Schwarz und Gelb gekleideten Gäste kamen auch in entsprechender Verfassung auf den Rasen: Geknickt, völlig ohne Selbstvertrauen und einfach nur in der Hoffnung, die 90 Minuten schnell hinter sich bringen zu können – erinnerte ein wenig an eine Prostituierte in Las Vegas um 4:00 morgens. Das Spiel hatte damit dann aber nicht mehr viel zu tun: Wir hatten zwar jede Menge Spaß dabei, aber bezahlen musste Bern – ein Rückpass von Strasser wurde von Eggert Jónsson abgefangen, der setzte sich ab und legte den Ball dann überlegt nach innen, wo Ruben Nygaard freistand und den Ball ohne Mühe ins verlassene Tor schob. Das 1:0 war dann aber auch das Ende des Spiels, zumindest was den Offensivfußball anging. Wir schalteten ein Paar Gänge herunter und schonten Kräfte – immerhin war es erst die erste von drei englischen Wochen am Stück, so dass wir uns unsere Energien aufteilen mussten. Die Young Boys dagegen waren von der 1:5-Klatsche aus dem Hinspiel noch so eingeschüchtert, dass sie selbst sich trotz unseres auf Sparflamme laufenden Motors im ganzen ersten Durchgang nicht einmal nach vorne trauten. In der zweiten Halbzeit wurde es dann etwas besser – wobei „etwas weniger erbärmlich“ wohl die geeignetere Formulierung ist und Bern kam nach 59 Minuten zum ersten Torschuss, den Jesper Rask jedoch mühelos entschärfen konnte. Dafür konnten wir nach einem Konter dann das Spiel entscheiden: Lasse Vigen Christensen schickte Mads Hvilsom steil, der sich seiner Gegenspieler entledigte und eiskalt in die Kurze Ecke abzog. Doch noch größer als nach dem Sieg wurde der Jubel, als das Ergebnis aus dem Parallelspiel die Runde machte: Lille hatte Paços de Ferreira mit 3:0 geschlagen und stand mit drei Punkten mehr und der deutlich besseren Tordifferenz auf Platz 1. Doch wir hatten nunmehr neun Punkte und lagen damit acht Punkte vor den Portugiesen und Bern, die außer im direkten Duell nur Niederlagen zu verzeichnen hatten – uns war Platz zwei nicht mehr zu nehmen, das Sechzehntelfinale war gebucht.
Unser nächster Ligagegner war mit Viborg FF wieder einer von der leichteren Sorte. Wir hatten schon das erste Spiel – auswärts – mit 3:0 gewinnen können und hatten auch heute die Favoritenrolle inne, denn die Gäste aus Viborg standen tief im Tabellenkeller. Interessant war auch, wie uns die Presse einschätzte: Hatten wir vor dem letzten Ligaspiel noch eine „Negativserie“, so war es jetzt ein „Lauf“: Wettbewerbsübergreifend hatten wir nur eines der letzten sechs Spiele verloren. Doch eigentlich war mir diese Quote egal – gegen den Aufsteiger mussten wir ohne wenn und aber gewinnen.
Dementsprechend offensiv gingen wir auch ins Spiel: Ich wich das erste Mal in meiner Zeit bei Hobro in einem Pflichtspiel von der 4-5-1-Grundordnung (die sich zwischen 4-1-4-1 und 4-2-3-1 befand) ab und ließ in einem flachen 4-2-2-2 anfangen. Wir liefen auch mit dem nötigen Selbstvertrauen auf und hatten direkt die erste gefährliche Szene: Damborg öffnete das Spiel mit einem Diagonalball aus der Innenverteidigung, vorne nahm Amankwaa den Ball mit und legte für Mikkel Thygesen auf, der aus der zweiten Reihe aber etwas zu hoch abschloss. Das Spiel wurde in der Folge zu einem der besten, welches wir in dieser Spielzeit abgeliefert hatten – die Demontage von Bern war vielleicht noch besser, aber ansonsten kein Spiel. Wir hatten nahezu 70% Ballbesitz in der ertsen Halbzeit und nach 23 Minuten belohnten wir uns auch dafür: Tjørnelund trat eine Ecke nach innen, wo Jonas Damborg in der Luft zu stehen schien und den Ball wuchtig ins Tor köpfte. Nur wenige Minuten darauf war der Innenverteidiger erneut an einem Tor beteiligt: Aus der Tiefe des Raumes schlug er einen Diagonalball in den Lauf von Andreas Hoelgebaum Pereira, der nicht lange fackelte und aus der zweiten Reihe mit einem traumhaften Schlenzer auf 2:0 schaltete. Sogar das Dritte Tor gelang uns noch vor dem Seitenwechsel: Thygesen spielte den Ball in die Schnittstelle zwischen Viborgs Innenverteidigern auf Jón Böðvarsson, der Isländer behielt die nerven und schloss im 1-gegen-1 eiskalt ab. Danach nahm ich in der Halbzeitpause mit Hoelgebaum Pereira und Böðvarsson die beiden besten Spieler vom Platz und leitete die Schonung für das wichtige Pokalspiel gegen Midtjylland in drei Tagen ein, worunter auch das Spiel natürlich litt: Einen Pfostentreffer von Sörloth gab es noch zu bestaunen, ansonsten geschah im zweiten Durchgang nicht mehr viel.
Innenverteidiger Jonas Damborg avancierte zum Matchwinner
Quellen: Vigen Christensen, Damborg |
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