Die „Trennung“ von Amanda hatte mich tatsächlich ein wenig mehr aus der Bahn geworfen als erwartet, doch ein paar Oxycodon und noch einige andere Dinge mehr brachten mich über Nacht wieder in die Spur und schon am nächsten Morgen war ich wieder ziemlich fit und bei alter Frische – was auch bitter nötig war, denn mit den portugiesischen Gästen von Paços de Ferreira hatten wir schon am Donnerstag wieder einen sehr schweren Gegner vor der Brust. Amanda hatte noch ein paar Mal angerufen und auch per Mail Kontakt gesucht, doch ich reagierte darauf nichtmehr.
Das Spiel kam und wir waren als Verein in der Krise natürlich der Außenseiter – eine erfrischende Abwechslung, nachdem wir mit der Favoritenrolle in den letzten beiden Spielen ja grandios auf die Schnauze flogen. Diesmal durften sich also die Gäste aus dem Norden Portugals mit dieser Bürde herumschleppen – und uns kam das sehr entgegen. Ohne den nach wie vor verletzten Andreas Hoelgebaum Pereira fehlte uns vorne der Spieler für die „besonderen Momente“, eine Rolle, mit der seine Aushilfe Ruben Jessen heillos überfordert war. Doch Dank der Außenseiterrolle konnten wir heute wieder mehr auf Konter setzen, gingen damit jedoch auch ein leichtes Risiko ein: Die Portugiesen übernahmen die Kontrolle über das Spiel und erspielten sich durch die Feldüberlegenheit auch rasch erste Chancen. Sérgio Oliveira war der größte Aktivposten der Portugiesen zu Spielbeginn und hatte auch bei der ersten torgefährlichen Szene die Füße im Spiel. Oliveira spielte den Ball steil auf den linken Flügel, wo Paolo Hurtado den Ball bekam. Der Peruaner zog mit Tempo vors Tor, Jesper Rask konnte den Schuss des Nationalspielers jedoch parieren. Kurz danach kam der Afrikaner Seri nach Doppelpass mit Sérgio Oliveira aus der zweiten Reihe zum Abschluss, weil erneut der Zugriff in der Mittelfeldzentrale fehlte. Diesmal konnte Rask sich nicht auszeichnen, doch zu unserem Glück schlug der Ball an die Latte und von dort aus ins Tornetz. Ehe wir das erste Mal wirklich torgefährlich wurden dauerte es etwas, doch nach gut zwanzig Minuten war es so weit: Mads Hvilsom steckte den Ball auf Danny Amankwaa durch, der Rechtsaußen zog aus der zweiten Reihe ab und zwang Gästetorwart Rafael Defendi zu einer Glanzparade. In dieser Manier wogte das Spiel die ganze erste Halbzeit über hin und her: Paços de Ferreira bestimmte das Spiel, wir kamen gelegentlich zu Kontern – und so wirklich Hundertprozentige Chancen waren nie dabei. Das änderte sich erst in der 43' Minute: Anders Jacobsen bekam den Ball von Damborg zugespielt und machte ihn an der Mittellinie fest. Der dänische Stürmer verzögerte etwas und hob den Ball dann butterweich in den rechten Halbraum in den Lauf von Danny Amankwaa. Der nahm ihn mit, nahm Fahrt auf und stand binnen Sekunden im Strafraum der Portugiesen. Der Ghanaischstämmige Däne ließ seinen Verfolger Hélder Lopes aussteigen und schlenzte den Ball überlegt in die Maschen – es war eine Halbzeitführung, deren Bedeutung für die Moral und Motivation der Spieler nicht kleiner hätte sein können.
Doch kaum kamen wir wieder aus der Kabine, strafte uns Paços de Ferreira für unseren Optimismus ab: Paolo Hurtado bediente den rechts durchstartenden Minhoca, der mit Vollgas auf unser Tor zugestürmt kam. Die Flanke des Portugiesen fand Diogo Jota, der den Ball Volley nahm und ihn unhaltbar unter die Latte nagelte. Ich stampfte wütend mit meinem Gehstock auf den Boden und hoffte nur, dass die Spieler den Ausgleich verkraften würden. Doch die Mannschaft ließ sich nicht abschrecken und schien die Europa League tatsächlich als Chance zu sehen, um wieder in die Spur zu kommen – doch das Tor wollte nicht fallen. Erst traf Mads Hvilsom aus der zweiten Reihe nur ans Aluminium, dann nickte Jón Daði Böðvarsson eine Flanke von Bøge an den Außenpfosten. Doch in der Schlussphase kam dann nochmal eine Systemumstellung auf ein offensiveres 4-1-4-1 mit dem eingewechselten Thygesen als zweitem Achter, und das machte sich doch noch bezahlt: Jónsson steckte den Ball mit viel Auge auf den rechts durchstartenden Jesper Bøge durch, der Außenverteidiger servierte den Ball halbhoch in den linken Rückraum und dort zog ebenjener eingewechselte Thygesen Volley ab und jagte den Ball in die Maschen – ein kleiner Schritt für uns in der Gruppe (von 4 auf 2), aber ein großer für die Moral.
Mikkel Thygesen bejubelt sein Traumtor
Wie üblich hatten wir nach dem Europapokalabend nur eine kurze Regenerationsphase und dieses Mal mit Aalborg BK noch dazu einen sehr schweren Gegner vor der Brust. Der einzige kleine Vorteil für uns war dieses Mal, dass wir immerhin erneut ein Heimspiel und damit keine lange Reise hatten.
Dennoch sah man den Spielern natürlich ein wenig die Erschöpfung an und dementsprechend musste ich auch am Kader etwas umstellen. Nutznießer davon war hauptsächlich ein junger Spieler: Der dänische Rechtsaußen Zander Hytloft rutschte aus der U19 für dieses eine Spiel in den Kader, nachdem er bereits mehrfach mit der ersten Mannschaft mittrainiert hatte. Die Jugendausbildung bei Hobro IK war logischerweise nicht die beste und dementsprechend hatte Hyltoft noch nie für eine dänische U-Nationalmannschaft gespielt, aber er war physisch für sein Alter schon recht weit und dementsprechend traute ich ihm zumindest ein paar Minuten dänischer Liga zu, falls das Spiel es zulassen würde. Und zunächst sah es auch ganz gut aus, Aalborg hatte zwar mehr Ballbesitz, aber die erste torgefährliche Szene hatten wir: Amankwaa bedienten Matthias Bersang auf rechts, der nahm den Ball einmal an und versuchte es aus der zweiten Reihe. Schlussmann Nicolai Larsen verschätzte sich etwas und hatte dann einige Mühe, den Ball noch aus dem Toreck zu kratzen. Ansonsten war die erste Hälfte aber fußballerische Magerkost, nur selten kamen spielerische Elemente durch. Doch kurz vor der Pause musste sich Jeseper Rask bei uns im Tor das erste Mal geschlagen geben: Rasmus Jönsson kam nach Doppelpass mit Nicklas Helenius im Sechzehner zum Abschluss und versenkte die Kugel mit dem ersten Torschuss der Partie im langen Eck. Aber wir steckten nicht auf und ich brachte zur Pause einen neuen – nicht Hytloft, für den ich den mentalen Druck, ein Spiel herumreißen zu müssen, als zu hoch ansah, sondern Mittelstürmer Jón Dáði Böðvarsson. Doch es brachte uns nicht viel, wir waren weiterhin nur nach den seltenen Kontern torgefährlich: Einmal traf ebenjener Böðvarsson den Ball nicht richtig und schob den Ball aus fünfzehn Metern etwa genauso weit über den Kasten, einmal schloss Amankwaa ab und schlenzte den Ball knapp am langen Pfosten vorbei. Dafür wurden wir dann in der Schlussphase nochmal bestraft: Helenius machte den Ball fest und legte für Nicolaj Thomsen zurück, der direkt abzog und den Ball unhaltbar in die lange Ecke nagelte. Es war die Entscheidung in diesem Spiel, der Sieg war Aalborg nichtmehr zu nehmen – und wir hatten den Moralschub nach dem internationalen Sieg grandios in den Sand gesetzt.
Gegen SönderjyskE wurde nach nunmehr drei Liganiederlagen in Folge dringend wieder ein Punkt benötigt, uns noch zusätzlichen Druck durch eine Siegforderung zu machen hielt ich für falsch. Durch die Europafreie Woche vor dem Spiel konnte ich wieder auf nahezu alle Spieler zurückgreifen, doch der im Training sehr überzeugende Hytloft stand dennoch erneut im Kader und verdrängte damit den etatmäßigen Bankspieler Matthias Bersang auf die Tribüne. Wir begannen erneut stark und hatten erneut die erste gute Offensivaktion: Anders Jacobsen flankte den Ball auf dein eingelaufenen Mads Hvilsom, der per Kopf Marin Skender zu einer Parade zwang. Der erste Angriff der Gäste ließ auf sich warten, doch dann wurde es gefährlich: Tommy Bechmann legte den Ball in den Lauf von Bo Storm, der aus der zweiten Reihe abzog und den Ball an den Außenpfosten setzte. Doch lange blieb uns das Glück nicht treu: Absalonsen kam nach Doppelpass mit Bo Storm im Sechzehner zum Abschluss und schob Jesper Rask den Ball durch die Hosenträger zum Führungstreffer für die Gäste. Der Treffer blieb lange Zeit die einzige Szene mit Nervenkitzelpotential, doch kurz nach dem Seitenwechsel rappelte es abermals bei uns im Tor: Absalonsen löffelte den Ball in den Lauf von Silas Songani, der Simbabwer kontrollierte den Ball mit einer Berührung und schob in dann überlegt in die kurze Ecke zum 0:2. Ich schlug wütend mit dem Stock gegen das Dach der Trainerbank und bedeutete ohne mich umzudrehen Alexander Sörloth, sich bereit zu machen. Der Norweger kam in die Partie und ich stellte auf ein 4-1-3-2-System um – noch eine Niederlage konnten wir uns nicht erlauben. Aber die Torgefahr fehlte uns nach wie vor, immer wieder kamen wir nur bis an die gegnerische Abwehrkette, wo uns dann die Ideen fehlten. Doch mit zunehmender Spieldauer wurden wir immer drängender und schließlich belohnten wir uns: Mikkel Thygesen bekam den Ball im Mittelfeld vom Gegenspieler, legte ihn sich einmal Weit vor und jagte den Ball aus der zweiten Reihe in die Maschen – absolutes Traumtor. Doch es schien nicht zum Ausgleich zu reichen und so war ich quasi dazu „gezwungen“, in der Schlussphase nochmal zu wechseln. Ich sah mich auf der Bank um: Böðvarsson und Jónsson waren schon gekommen, es saßen nur noch fünf „Möglichkeiten“ da: Torhüter Ankergren, die Verteidiger Egholm und Fischer und der defensive Mittelfeldspieler Damborg – und als einzige offensive Option der 16 Jahre junge Zander Hytloft. „Zander!“ rief ich dann und erntete ein paar verwunderte Blicke aus dem Trainerteam, die ich geflissentlich ignorierte. Der junge stand auf – aufgeregt wirkte er nur ein wenig, sehr gut. „Du kommst rein für Ruben. Versuch, einfach alles reinzuhauen!“ sagte ich zu ihm. Der Junge nickte nur stumm und zog sich in einem Tempo um, bei dem sich so ziemlich jede Frau eine Scheibe abschneiden konnte. Wie unbekannt er noch war, zeigte auch die Einwechslung: Der Stadionsprecher sprach den Namen falsch aus und sagte statt 'Hytloft' 'Hyltoft' an, ihm schien es egal zu sein. Noch vier Minuten waren zu spielen, irgendeine Chance brauchten wir noch – und dann kam sie: Der in die zentrale gerückte Mads Hvilsom bediente Hytloft auf Außen, der legte den Ball an Pierre Kanstrup vorbei – und wurde gefoult. Freistoßchance in der Nachspielzeit. Hvilsom servierte den Ball nach innen, doch er flog zu lange und zu weit. Aber am anderen Ende des Strafraums stand Eggert Jónsson und hob den Ball nochmals nach innen, wo Mads Justesen stand und den Ball per Kopf ins Tor drückte – unglaublich! Es dauerte nur Sekunden und der Kapitän war unter einer Spielertraube begraben, und damit war das Spiel dann auch beendet – und auch wenn es nur ein Punkt war, so war er vor dem Europaleague-Spiel gegen die Young Boys Bern Gold wert.
Auch die zwei Scorerpunkte von Absalonsen reichten nicht zum Sieg
Quellen: Thygesen, Absalonsen |
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