0
Wenn Bengalos das Spielfeld vernebeln, Raketen hin- und herfliegen und Hass-Gesänge das Stadion erfüllen – dann ist Stadtderby-Zeit in Leipzig! Doch diesmal überschritt das Regionalliga-Spiel zwischen dem 1. FC Lok und der BSG Chemie (0:0) engültig alle Grenzen der Vernunft. Wasserwerfer fahren direkt ins Bruno-Plache-Stadion. Polizisten stürmen den Block. Zweimal wird das Duell für insgesamt 15 Minuten unterbrochen. Chemie-Trainer Dietmar Demuth (62) bekommt einen vollen Bierbecher ins Gesicht!
Das Spiel beginnt mit zehn Minuten Verspätung, weil die Polizei den Chemie-Bus zum Gäste-Eingang umleitet und die Spieler sich durch die eigenen Fans zur Kabine kämpfen müssen.Dort treffen sie erst ein, als sich die Lok-Spieler bereits warm machen. Gleichzeitig toben bereits die Ausschreitungen im Stadion. Chemie-Fans beginnen mit der Bengalo-Hölle, schießen erste Raketen aufs Feld – eine sogar gefährlich nahe an den Spielertunnel. Die Lok-Ultras kontern ihrerseits mit Nebelbomben, bewerfen damit einen Polizisten. Polizisten. Die Polizei teilte mit: "In dem Tunnel warteten auch die Kinder, die gemeinsam mit den Spielern einlaufen sollten. Nur durch reines Glück wurde dabei niemand verletzt." Die Lok-Fans starten ein gnadenloses Pfeifkonzert gegen Chemie-Keeper Julien Latendresse-Lévesque (26). Im Sommer hatten sich die verfeindeten Klubs geeinigt, dass der Kanadier nach seinem Weggang von Lok im Derby nicht eingesetzt werden soll. Das ignoriert Coach Demuth aus Personalnot. In der Pause starten die Chemie-Chaoten eine Provokation: Sie verbrennen die Lok-Fahne, die nach dem Pokalspiel des 1. FC Lok gegen Niesky geraubt wurde. Ein wahres Bengalo- und Raketen-Inferno bricht aus. Schiri Henry Müller (Cottbus) schickt beide Teams in der 48. Minute in die Kabinen. Die Polizei ist mit fünf Hundertschaften vor Ort, fährt mit zwei Wasserwerfern direkt ins Stadion. Kurz nach Wiederanpfiff fliegen wieder Raketen, Lok-Ultras haben sich auf die Gegengerade geschlichen. Jetzt reicht's der Polizei endgültig. Die Beamten stürmen den Block und sorgen für Ruhe. Die eigentlichen Fußball-Zuschauer unter den 6381 Besuchern sind entsetzt, skandieren "Schämt Euch was". Das stößt bei den Schwachköpfen natürlich auf taube Ohren. Ein offenbar angetrunkener Fan schleudert im VIP-Bereich (!) Demuth, der auf dem Podium zur Pressekonferenz sitzt, einen Becher Bier ins Gesicht. Lok-Kollege Heiko Scholz (51) zum durchnässten Chemie-Coach: "Ich kenne den, der ist eigentlich ein ruhiger Patron. Er hat wahrscheinlich bissl zu viel getrunken heute." Lok verhängte ein Hausverbot! Beiden Klubs drohen nun saftige Strafen. Chemie musste gerade erst wegen Pyrotechnik im Pokal gegen Zwickau 2000 Euro zahlen. Polizei-Präsident Bernd Merbitz (61), der vor Ort war, ordnete wegen vielfacher Straftaten wie Sachbeschädigungen, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, schwerer Landfriedensbruch an, die komplette Fangruppierung aus dem Lok-Block einer Identitätsfeststellung zu unterziehen. Merbitz weiter: "Wenn man Raketen in Menschenmassen abfeuert, wird's gefährlich. Wenn man versucht, das Spielfeld zu stürmen und auch noch die Polizei angreift, ist das Spiel nur noch nebensächlich. Wir wären glücklicher, wenn ein Spiel stattfindet und es würde mal ein Polizeiauto vorbei kommen und fragen: Wie steht's denn?!" Doch das ist wird in Leipzig Wunschdenken bleiben – Fortsetzung folgt ganz sicher schon im nächsten Stadtderby!
Quelle: Bild
Lesezeichen